Sexualität als magische Quelle

Sexualmagie ist keine Form von Sex, sondern eine Form von Magie. Sexualmagie hat eigentlich nicht das Ziel, die Qualität des sexuellen Erlebens zu verbessern, sondern Sexualität als magische Quelle zu nutzen. Allerdings tritt ersteres als angenehme Nebenerscheinung auch schnell in den Vordergrund.

Völven praktizierten Sexualmagie schon vor hunderten von Jahren. Die Technik des „Venus Butterfly“, wie sie in dem 1988 erschienenen Buch „The One Hour Orgasm“ beschrieben wird, kennen wir schon aus alten Überlieferungen. Auch ein Gleitmittel (Öl) aus aphrodisierend wirkenden Pflanzen war ihnen bekannt.

Überraschender Weise wurden die Regeln für praktische Sexualmagie in privaten Aufzeichnungen schon vor langer Zeit sehr moderat beschrieben. Gleichgeschlechtlicher Sex und Onanie z.B. wurde als normal betrachtet, als das Strafgesetzbuch noch eine ganz andere Haltung dazu hatte. Die ethischen Grenzen beschränken sich auf vier Punkte. Über die wird dafür aber auch keine Diskussion geduldet.

1. Einvernehmlichkeit

Das muss nicht groß erklärt werden. Nichts passiert ohne die Einwilligung des/der anderen Partner. Zu beachten ist jedoch, dass Einvernehmlichkeit auch bedeutet, dass allen Beteiligten klar ist, dass es nicht um Sex, sondern um Sexualmagie geht.

2. Sicherheit

Sicherheit bedeutet, auf alles zu verzichten, was Körper oder Seele schädigen kann.

3. Übereinkunft

Einvernehmlichkeit kann im laufenden Prozess durch Zustimmung oder Ablehnung hergestellt werden. Dadurch bleibt Spontanität möglich. Übereinkunft wird durch ein vorangehendes Gespräch geschaffen. Dabei werden grundlegende Fragen wie z.B. Verhüten ja oder nein, Öffentlichkeit ja oder nein usw. geklärt.

4. Befreiung

Um erfolgreich Sexualmagie zu praktizieren ist es erforderlich, sich Grenzen bewusst zu machen und sie zu hinterfragen. Betrachtet man z.B. Sex mit Verhütung als Sünde, kann man es gleich sein lassen. Das bedeutet nicht, dass man alle Grenzen sprengen muss, aber der Sinn des magischen Handelns liegt immer in der Erweiterung der Möglichkeiten eines bestimmten Menschen. Die Grenzen eines anderen sind jedoch immer zu respektieren.

Ursprung

Freyjas Halsschmuck, der Brisingenschmuck, wurde von den Dunkelalben Alfrigg, Dvalin, Berling und Grervier gefertigt. Der Preis dafür war eine Liebesnacht mit jedem der vier Zwerge. Freyja, die Lehrerin des Zaubers (seiðr), zahlte diesen Preis.

Ich behaupte zwar, dies sei die Geburtsstunde der Edelprostitution, aber das ist scherzhaft gemeint! Es ist wohl viel mehr ein Hinweis auf praktizierte Sexualmagie. Freyja ist auch die Göttin der Fruchtbarkeit, des Frühlings, des Glücks, der Liebe und der Ehe und die Anführerin der jungfräulichen Walküren. Sie lehrt und leitet auch die Völven. Reichlich viele Aufgaben für eine einzelne Frau, auch wenn sie eine Wanin ist.

Aber ist es nicht letztendlich eine einzige Aufgabe?

Sexuelle Selbstbestimmung ist für Freyja auch etwas völlig normales. In der Lokasenna, den „Schähreden Lokis“ wirft dieser ihr vor, mit jedem Gott und jeder mythologischen Gestalt Sex gehabt zu haben. Bemerkenswert ist jedoch, dass dieses Verhalten Freyjas ansonsten nicht kritisiert wird und sie auch in patriarchalischen Gesellschaften nicht nur von Frauen verehrt wurde.

Aus unserer Sicht lässt all dies den Schluss zu, dass Freyja keine Nymphomanin war, sondern Sex als magisches Mittel nutzte. Eben Sexualmagie betrieb.

Assoziationen

Die sogenannten „Weltreligionen“ erlauben sexuelle Vereinigung nur in der Ehe. Abgesehen vom Islam wird dies in letzter Zeit jedoch immer mehr gelockert, es hält sich ja eh kaum jemand daran. Um das Verbot des außerehelichen Sex zu untermauern wurden den Menschen Bilder in die Köpfe gesetzt. Die „Verführerin“, im allgemeinen eine mit dem Teufel verbündete Hexe, war die Schuldige. Das ist typisch für patriarchalische Gesellschaften: Der Kerl geht fremd, ist dann aber das arme Opfer denn Schuld hat ja sein One-Night-Stand, der dann vielleicht noch auf dem Scheiterhaufen landet. Die Verführerin zeigte sich als wunderschöne, sinnliche Frau, die sich nach dem Akt (wenn der Kerl so richtig Pech hatte auch währenddessen) in eine bucklige, alte Hexe verwandelte. Schön abschreckend, oder?

Analverkehr galt als dämonisch, weil durch die Ejakulation des Mannes in den Anus der Frau kein „normales“ Wesen sondern ein Dämon gezeugt wird. Das wirft die Frage auf, ob Dämonen wohl durch einen Pups geboren werden.

Es gibt wohl nahezu unendlich viele weitere Assoziationen die uns den Spaß am Sex verderben sollen. Wer Sexualmagie betreiben will sollte sich derartige persönliche, religiöse und kulturelle Konditionierungen bewusst machen und sie – wenn möglich – überwinden.